September 2007

Vom Denkmal zum Menschen zum Denkmal


Leider, leider: für krumme Jubiläen ist der September mager. Ein gerades gibt es (50 Jahre “West Side Story”), aber Bernstein ist schon für den Oktober gebucht. Was tun also? Das Kino bietet die Rettung: Blicken wir auf einen Film, der sich so ankündigt: “The man. The music. The magic. The madness. The murder. The mystery. The motion picture.”

Solches alliterationsgeschwängertes Aufzählen hätte natürlich mit “The Mozart” enden müssen. Statt dessen heißt der Film “Amadeus”, weil das Stück schon so hieß. Uraufgeführt wurde er am 6. September 1984 in Los Angeles, in die amerikanischen Kinos kam der Film am 19. September, die Deutschen mussten bis Oktober warten.
 

Nun könnte man meckern und wieder meckern, was bei diesem Film alles historisch falsch ist: Richtig, Salieri hatte gar keinen Grund neidisch zu sein. Er hat Mozart nicht ermordet. Richtig, Mozart wird nicht in einem Armengrab beigesetzt. Richtig, Mozart starb in der Nacht.

Und trotzdem, der Film war eine frische Brise: Nach all den Heiligenverfilmungen, denen die armen Künstler üblicherweise ausgesetzt sind, haben Schaffer und Foreman Mozart endlich einmal vom Kopf auf die Füße gestellt. Keine Anbetung, kein Denkmal, kein göttlicher Auftrag, dem der Komponist folgt. Endlich einmal ein Mensch, der trinkt, Billard spielt, wütend ist und albern; jemand der seinen Vater hasst und sich von ihm unterdrückt fühlt (zumindest das kommt der Wahrheit nahe), jemand der sich vor der Arbeit drückt und vor dem Tod flieht, wie alle anderen auch.

Stellen wir uns also die überflüssige wie interessante Frage: Warum mussten ein Brite – nämlicher der Schriftseller Peter Schaffer– und ein exilierter Tscheche – nämlich Milos Foreman – diese Aufgabe erledigen? Und warum in Hollywood? Warum war es kein Deutscher oder Österreicher? – Wer will sich schon sein Mozartbild zertrümmern lassen? Denkmäler widersprechen nicht Andererseits: Hollywood ist ein Spezialist im Vermenschlichen, von Bambi bis zum tapferen kleinen Toaster. Warum nicht auch Mozart?

Geholfen hat das alles nicht: In Salzburg sorgt Nikolaus Harnoncourt mit seinem Zeitlupendirigat dafür, dass Mozart auch weiterhin zelebriert wird. Da mag auf der Bühne geschehen, was will. Kein einziges Mozartdenkmal ist abgerissen worden. Und Künstlerfilme dreht überhaupt niemand mehr. Ach, so vielen Komponisten hätten es verdient, endlich vom Stein zum Menschen werden: Bach. Bruckner. Schubert. Mendelssohn. Mahler. Wagner und Verdi.

So aber bliebt “Amadeus” ein einsames Solitär aus Zeiten, die eben für solche Kunst besser waren. Und das zumindest hat er mit Mozart gemeinsam.

© Friedrich Kern









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