Liebe, Liebesschmerz, fürs Auge fürs Ohr,
                                                                   für alle Zeit und in Ewigkeit.



Genau gelesen


“Sie machen doch einen Rosenkavalier?”, wurde Intendant Wulf Kunold gefragt, als er sein Amt in Nürnberg antrat. Da schwingt Ungeduld mit. Kunold ist schon wieder am Gehen, doch wer auf diesen "Rosenkavalier" gewartet hat, wird belohnt.

Als “Komödie mit Musik” hat Hugo von Hofmannsthal das Libretto betitelt. Das nehmen alle Beteiligten erfreulich ernst. Verständlichkeit ist hörbar ein Ziel des neuen Nürnberg GMD Christoph Prick, fast rezitativisch sind bei seinem Dirigat die Konversationsteile. Klar zu unterscheiden sollen die Stimmen offenbar auch in den großen Ensembles sein. Allerdings: Wenn das Orchester so richtig “losrauschen” darf, geht Prick zunächst einmal der Gaul durch. Zu laut ist er hier oft. Und manchmal nimmt er die Tempi so langsam, dass man zwar schier dahinschmilzt, aber um die Sängerinnen fürchten muss. Doch all das ist deutlich der Begeisterung geschuldet und spielt sich im Laufe des Abends ein. Auch das Orchester ist nach einigen Anfangsschwierigkeiten famos und Prick kann die Schönheiten der Partitur herausarbeiten. Er weiß, wie Strauss den Hörer packt, wie er die Instrumente kombiniert und scheut sich nicht, das alles einzusetzen. Da kann das Publikum kaum anderes als mitgehen.

Zum Mitgehen tragen allerdings auch die Stimmen bei, die an diesem Abend zu hören sind. Ausdrucksstark und den vielfältigen Gefühlen stets angepasst gestaltet Christiane Libor die Marschallin. Frances Pappas Stimme ist mit ihrer dunklen Färbung prädestiniert für den Octavian. Zwar zeigt sie manchmal Unsicherheiten, doch gewinnt auch sie das Publikum im Laufe des Abends. Und wenn sie sich im dritten Akt von Ocatavian in Mariandl verwandelt, ist das ein Glanzstück der Aufführung. Ebenfalls überzeugend im Konservationston, aber noch mit Schwierigkeiten in der Tiefe: Guido Jentjens als Ochs. Der Star des Abends allerdings ist Heide Elisabeth Meier als Sophie. Sie ist hier alles andere als ein “Wiener Dutzendmädl” (Hofmannsthal). Meier hat einen glockenreinen, strahlenden Sopran, sie ist textverständlich und bewegt zudem noch auf der Bühne als sei es das natürlichste der Welt. Sie ist eine Sängerin-Darstellerin, für die jede Oper dankbar sein kann.

Bleibt noch die Inszenierung. Auch sie hält sich an den Titel “Komödie mit Musik”. Helen Malkowsky, seit einem Jahr Oberspielleiterin der Oper, will das Rad nicht neu erfinden. Aber sie hat genau gelesen und ihre Energie in die Umsetzung gesteckt. So ist die Inszenierung insgesamt konventionell. Doch alles ist genau ausgespielt, die komischen Stellen werden herausgearbeitet, und zum Leiden, Lieben, Philosophieren gibt es den nötigen und passenden Raum. Was die Zeit betrifft, legt sich das Bühnenbild von Harald Thor nicht fest: Weiß, wie es im Rokoko üblich war, wird kontrastiert mit dunklem Holz, wie es in der Gründerzeit beliebt war. Alles wird immer wieder neu kombiniert. Auch die Kostüme von Tanja Hofmann verwischen die Zeitebenen: Die Diener im ersten Akt tragen noch Perücken, Sophie und Octavian sind dann nach der Entstehungszeit gekleidet. Ochs und sein Anhang dagegen scheinen aus dem 19. Jahrhundert zu kommen. Ochs ist auch der einzige, der rollenuntypisch gestaltet ist: Kein bäuerlicher, aber doch sympathischer Don Juan, ist er diesmal. Eher erinnert er an Bendix Grünlich aus den “Buddenbrooks”, er ist mehr berechnend als impulsiv.

Das bleibt allerdings die einzige Irritation an diesem Abend, an dem die Zuschauer spürbar dankbar mitgehen. Langer und einhelliger Applaus.

© Friedrich Kern









Staatstheater Nürnberg
Richard Strauss
Der Rosenkavalier

Musikalische Leitung: Christof Prick
Inszenierung: Helen Malkowsky
Bühne: Harald Thor
Kostüme: Tanja Hofmann

Staatstheater Nürnberg
Besuchte Vorstellung: 21. Oktober 2006
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