Ein barockes Fest
                                                                           für die Bühne im Kopf



Ergötzliches für Auge und Ohr, für Geist und Gefühl


Das müssen Feste gewesen sein im Barock, mit Essen und Trinken im Überfluss, Pferdevorführungen, Schauspiel, Tanz, Theater, Musik und raffinierter Bühnentechnik. Ein Fest für alle Sinne eben. Einen Eindruck davon gibt bis heute das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth. Der barocke Zuschauerraum überwältigt jedesmal aufs Neue. Kein Wunder, dass Regisseure da ins Schwärmen kommen. Ein Theaterspektakel mit “phantastischen Bühneneffekten bis hin zum Feuerwerk” hätte Colin Blumenau, Regisseur von Purcells “King Arthur” gerne veranstaltet. Aber, aber das Geld ...

Feuerwerk im holzüberladenen Opernhaus? Daraus wäre in jedem Fall nichts geworden. Aber schlimm ist das nicht, denn dieser Aufführung fehlt eigentlich nichts. Im Gegenteil: Frei von allem überflüssigen Spektakel, können Text und Musik ihre volle Qualität entfalten. Und auf beides kommt es hier an, in der englischen “Semi-Opera” sind die beiden Künste gleichberechtigt. So agieren auf der Bühne Schauspieler und Sänger miteinander, gesungen und gespielt wird in der Originalsprache Englisch. Die Handlung von John Dryden dreht sich um den Kampf zwischen Briten und Sachsen, außerdem geht es um die Liebe zwischen King Arthur und Emmeline. Es ist eine Liebe, die allerhand Prüfungen bestehen muss. Außerdem mischen Zauberer und Geister kräftig mit. Ein Spektakel also durchaus.

Bescheiden dagegen die Bühne in Bayreuth: Ein Kasten aus hellem Holz mit zahlreichen Öffnungen ist der Spielort. Da die meisten Sänger mehrere Rollen übernehmen, sind auch die Kostüme einfach gehalten. T-Shirts mit Zeichnungen oder Symbolen zeigen, wer da gerade auf der Bühne steht. Trotzdem: Die Inszenierung macht es den Zuschauern leicht: sie setzt auf das kulturelle Gedächtnis, auf die vielen Bilder, die wir eingesogen haben. Wenn das Schäferleben dargestellt wird, reichen ein paar grüne T-Shirts und zwei grüne Kissen: schon sehen wir einen  Paradiesgarten, wie er im 16. und 17. Jahrhunderts oft gemalt worden ist. Für die Frostszene reicht ein weißes Tuch. Es gibt gerade so viel Anregung wie nötig, den Rest macht der Zuschauer im Kopf. Und es gibt immer genug Zeit, die Bilder im Kopf zu entwickeln, hier wird nichts künstlich beschleunigt.

Aber Blumenau gelingt noch mehr: er hält die verschiedenen Ebenen des Stücks beinahe perfekt in der Schwebe: Ironie und Ernst sind ausbalanciert, die Personen sind zugleich real und allegorisch; es ist eine Abenteuergeschichte aber gleichzeitig auch eine Erzählung über den inneren Kampf zwischen gut und böse. Das ist erfreulich weit entfernt von platter Eindeutigkeit vieler Inszenierungen.

Glänzen kann auch die Musik, Wolfgang Katschner führt die “Lautten Compagney” und die meist jungen Sänger der “Capella Angelica” mit viel Übersicht. Die Musik ist genau aufs Bühnengeschehen abgestimmt, der Klang ist keine Selbstzweck. Besonders die Streicher beeindrucken immer wieder - hier glaubt man die Schwingungen oft nicht nur zu hören, sondern geradezu am ganzen Körper zu spüren. Insofern bleiben besonders die gefühlvollen Szenen (etwa das Schäferspiel) in Erinnerung. Aber auch das “große Orchester” beeindruckt, wenn wieder mal gekämpft wird oder ein Sturm aufkommt.

Die Sänger sind (noch) nicht so perfekt, wie man es von den berühmten Barockemsembles gewohnt ist, überzeugen dennoch. Immerhin sind sie über drei Stunden fast permanent auf der Bühne. Gerade in den Ensembles verschmolzen die Stimmen zu einem prächtigen Klang.  Herausragend waren Nicki Kenndy als Philidel, Stefanie Wüst (unter anderem als Cupido) und Sean Clayton.


Gibt es also gar nichts zu meckern? Ein paar Kleinigkeiten vielleicht: An einigen Stellen hätte man sich ein etwas deutlicheres und langsameres Sprechen gewünscht, etwa von Clayton Nemrow als Arthur. Emmeline, die weibliche Hauptfigur, blieb allzu passiv. Und am Schluss, wenn Britannien ausführlich gefeiert wird - schließlich ist “King Arthur” auch die erste Nationaloper - kam dem Regisseur doch ein wenig die Ironie abhanden.

Doch das schmälert den Gesamteindruck nicht. Erleben durfte man einen äußerst kurzweiligen Theaterabend, eine Barockoper für unsere Zeit. Es war ein Vergnügen für Auge und Ohr, für Geist und Gefühl. Das Publikum bedankte sich mit heftigen und langen Applaus.

© Friedrich Kern









Henry Prucell
King Arthur

Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner
Inszenierung: Colin Blumenau
Ausstattung realisiert von Diana Schöpplein und Peter Kempe nach einer Idee von Kit Surrey

Lautten Compagney und verschiedene Theater
Besuchte Vorstellung: 14. September 2007 im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth
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Lautten Compagney


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