Manfred Honeck entdeckt die inneren
                                                                        Schönheiten der Musik.



Jenseits des Pomps


Vor allem anderen muss der Stuttgarter Chor gelobt werden. So ein umwerfendes Piano hört man selten. Es ist einheitlich, ohne Brüche, klangschön und geschmeidig. Bei den Tempelgesängen läuft einen der Schauer über den Rücken, so als sprächen die ägyptischen Gottheiten wirklich selbst. Nicht weniger beeindruckend geht es zu, wenn der Chor lautstark werden darf. Fast nie kommt es zum Brüllen, der Klang bleibt durchsichtig und voller Schattierungen. Chordirektor Michael Alber hat hier ganze Arbeit geleistet.

Der Chor war einer der Stars dieser Premiere. Er wurde reichlich beklatscht, wie die Musiker überhaupt gut wegkamen. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Generalmusikdirektor Manfred Honeck macht vom ersten Ton an klar, dass er alles Dekorative und Sentimentale aus der Musik verbannen wird. Er dirigiert durchsichtig, genau, zurückhaltend, auf das Wesentliche konzentriert - beinahe analytisch. So strahlt die Schönheit dieser Musik von innen. Man hört, wie gekonnt Verdi instrumentiert hat, wie scharf er Gegensätze musikalisch konstruiert, so den zwischen dem Glück des Einzelnen und dem Machtanspruch der Herrschenden. Verdi braucht wenig, um eine Situation, ein Gefühl zu kennzeichnen. Für solche Interpretation zahlt Honeck allerdings einen Preis: Das Fiebrige, stets an der Grenze des Wahnsinns wandelnde der Musik wird verbannt. Doch das Publikum lässt sich auf das Experiment ein, weil das Staatsorchester hochkonzentriert und technisch hochstehend spielt.

Die Solisten passen sich dem an, sie sind eher zurückhaltend, stechen kaum hervor. Radamès wird von Hector Sandoval gegeben, mit Glanz vor allem in der Höhe. Allerdings täte der Stimme etwas mehr Kraft gut. Maria José Siri als Aida hat eine geschmeidige, schöne Stimme, der es noch an Charakter fehlt. Die übrigen Rollen werden routiniert gegeben: Daniel Henriks als König und Yalun Zhang als Aidas Vater sind ja schon bei Verdi fast nur Stichwortgeber. Liang Li gibt einen überzeugenden Oberpriester, der mit salbungsvollen Ton seine politischen Ziele verfolgt. Den meisten Applaus bekommt Marina Prudenskaja als Amneris. Sie entwickelt sich von der Intrigantin zu Liebend-Verzweifelnden und nutzt dabei alle Möglichkeiten, die ihre Stimme bietet. Allerdings hat sie es auch am leichtesten, denn nach der Verurteilung des Radamès darf sie Leidenschaft zeigen.

Und damit sind wir bei dem Problem des Abends: der fehlenden Personenregie. Schon das Konzept-Dirigat Honecks ist gefährlich, weil darin das Gefühl verschwinden könnte. Am Ende kommt es nicht dazu, denn der Dirigent weiß um die Wirkung jedes Details und nutzt sie. Dasselbe lässt sich von der Regie Karsten Wiegands leider nicht sagen. Meistens stehen die Figuren konventionell herum und betreiben Rampensingen. Von den klugen Ideen, die Wiegand im Programmheft äußert, sieht man wenig. Das fällt zunächst nicht so auf, weil Bärbl Hohmann (Bühnenbild) und Anna Eiermann (Kostüme) eindrucksvolle Bilder geschaffen haben. Zunächst gibt es eine goldglänzende, totalitäre Architektur, im dritten Akt herrscht eine silberglänzende, aber nicht kitschige Atmosphäre. Auch der Video-Einsatz (Judith Konnerth) ist größtenteils gelungen. Das alles ist erfreulich, hilft Sängern und Chor bei der Gestaltung aber wenig.

Hörenswert ist diese Produktion also, aber nicht unbedingt sehenswert. Es ist eine Aida jenseits des Pomps. Nur das Regieteam musste reichlich Buhs einstecken. Schade.

© Friedrich Kern








Giuseppe Verdi
Aida

Musikalische Leitung: Manfred Honeck
Inszenierung: Karsten Wiegand
Bühne: Bärbl Hohmann
Kostüme: Anna Eiermann
Video: Judith Konnerth

Staatsoper Stuttgart
Besuchte Vorstellung: 26. Oktober 2008
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